#72 Dirk Rupnow - Geschichte & Erinnerung der Migration
Shownotes
Was war zuerst, Europa oder die Migration? Mit Dirk Rupnow, Historiker an der Universität Innsbruck, spreche ich über Migrationsgeschichte und -erinnerung, warum manche Leben mehr “erinnerbar” sind als andere und welche Funktion Denkmäler im viel zitierten “Stadtbild” einer Migrationsgesellschaft erfüllen.
Fragen, Anregungen, Feedback, und Beschwerden an aufnahmebereit@wu.ac.at
Instagram: judithkohlenberger
„Aufnahmebereit“ entsteht im Rahmen eines Wissenschaftsvermittlungsprojekts an der WU Wien und wird ermöglicht durch die Förderung „Vom Wissen der Vielen“ der MA 7 der Stadt Wien. Danke an die Kooperationspartner*innen von „Die Chefredaktion“ und der Podcastwerkstatt.
Sprecher Intro/Outro: Lukas Heck, Cornelius Obonya
Technik: Jürgen Angel und Roman Reiter
Produktion und Postproduktion: Anja Malensek
Transkript anzeigen
00:00:05: Herzlich willkommen bei Aufnahme Bereit, dem Podcast für ankommende und aufnehmende in der modernen Migrationsgesellschaft.
00:00:12: Sie hören diese Episode nicht nur auf den Podcast-Playern ihrer Wahl, sondern auch auf Radio Orange.
00:00:41: Dirk ist Historiker und Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck, erforscht und lehrt zu österreichischer und zu deutscher sowie europäischer Zeitgeschichte mit den Schwerpunkten NS-Zeit und Holocaust und Migrationsgeschichte.
00:00:56: Und genau darüber über die Migrationsgeschichte und die Geschichtsschreibung wollen wir heute sprechen.
00:01:02: Herzlich willkommen, lieber Dirk.
00:01:03: Herzlichen Dank für die Einladung.
00:01:06: Ja, ich habe es gesagt, wir wollen über Migration.
00:01:09: Und Migrationsgeschichtsschreibung sprechen.
00:01:11: Migration nach Europa, in Europa, aus Europa weg.
00:01:16: Und deshalb beginne ich mit einer sehr allgemeinen großen Frage.
00:01:19: Was war zuerst, die Migration oder Europa?
00:01:23: Gut, das ist eine große Frage und eine Eifrage.
00:01:28: Na ja, man könnte natürlich sagen, ohne Migration kein Europa, oder?
00:01:32: Wir wissen, diese Welt wurde von anderen Regionen aus ursprünglich besiedelt.
00:01:36: Also Europa kam erst später auf die Landkarte gewissermaßen.
00:01:41: Und daran sieht man ja auch, dass Immigration tatsächlich eine Konstante in der Geschichte ist.
00:01:47: Ich glaube, das ist ja das Entscheidende, oder?
00:01:48: Also ich meine, Europa, was ist Europa?
00:01:50: Oder wir haben heute unterschiedliche Vorstellungen von Europa.
00:01:55: Wir ziehen die Grenzen von Europa unterschiedlich.
00:01:57: Reden wir über EU-Europa, reden wir über ein größeres geografisches Europa, reden wir über ein historisches Europa.
00:02:06: Also das verändert sich ja auch.
00:02:10: verändert sich ja auch ständig.
00:02:11: Aber klar ist, wenn nicht Menschen aus anderen Gegenden der Welt hierher gewandert wären, dann wäre eben auch dieser Teil der Welt nicht so ohne weiteres besiedelt worden.
00:02:19: Also ich denke, das macht deutlich, dass eben Geschichte ohne Migration schlechterdings nicht denkbar ist, oder?
00:02:25: Das ist ja das, was wir in der Migrationsgeschichte auch generell erst mal, glaube ich, zu sagen und zu setzen versuchen.
00:02:35: Geschichte ohne Migration gibt es eigentlich nicht.
00:02:37: Und entgegen dessen, dass in der Öffentlichkeit oft es eben anders gedacht wird nach dem Motto Migration ist der Ausnahmefall, der Spezialfall in der Geschichte, ist es eben eigentlich der Regelfall.
00:02:50: Oder Menschen wandern, Menschen verändern ihren Lebensmittelpunkt, wie man heute technisch sagen würde, Menschen sind eben nicht.
00:03:01: gebunden, obwohl wir das oft so denken oder die Menschen sind nicht, natürlich kann man eine Verbundenheit zu einem Ort haben, aber letztlich sind Menschen eben nicht verwurzelt, sondern können den Ort wechseln und haben das, genau, sie sind keine Bäume.
00:03:21: Natürlich kann man eben eine bestimmte Verbundenheit zu einem Ort haben.
00:03:24: Das nennt man dann Heimat von mir aus und hat da besondere Gefühle etc.
00:03:27: und Erinnerungen dran.
00:03:29: Aber das Entscheidende ist, Menschen können den Ort wechseln und sie haben es historisch immer wieder getan.
00:03:34: Sei es langfristig oder sei es kurzfristig und auch wieder retour und woanders hin oder alle diese Formen gibt es.
00:03:42: Aber ohne das gibt es eigentlich keine Geschichte.
00:03:44: Und ich glaube, das ist der entscheidende Punkt.
00:03:48: Warum ist dann die Vorstellung, und du hast es auch schon ein wenig in deiner Antwort anklingen lassen, die oft populäre, landläufige Vorstellung der europäischen, der österreichischen, der deutschen Vergangenheit, die Vorstellung einer sehr, sehr großen, wenn nicht fast vollständigen ethnischen Homogenität und Migration?
00:04:09: in der Vorstellung oder in der Debatte wirkt, das manchmal so, ist entweder erst seit dem Jahr zweisundfünfzehn ein Thema oder, wenn man ein bisschen besser informiert ist, vielleicht seit den Sechzigerjahren oder nach dem Jahr neunzehnfünfundvierzig, aber davor eigentlich kein Thema.
00:04:21: Warum gibt es da so dieses Auseinanderklaffen zwischen dem, was du jetzt gesagt hast, was er entstand der Forschung, wie der Spiegel, das wir wissen?
00:04:28: und der Vorstellung eines vermeintlich ethnisch-homogenen früher damals, das in der Form aber nie existiert hat.
00:04:39: Also ich glaube, das ist eine Erfindung der Nationalstaaten im Jahrhundert, oder?
00:04:43: Das entwickelt sich mit den Nationalstaaten im Jahrhundert, auch bei den Imperien.
00:04:49: Vorher spielte ja ethnische Homogenität sowieso keine Rolle.
00:04:53: Oder es war klar, dass die nicht homogen sind, sondern die wärst zusammengesetzt.
00:04:57: Und das hat sich ja auch im Habsburger Reich etwa bis zum Ende eben, bis Ninzehn, Achtzehn erhalten.
00:05:05: Und also diese Legacy, gewissermaßen gibt es in Österreich auch.
00:05:08: Können wir ja vielleicht daher noch mal ein bisschen vertiefend drüber reden.
00:05:10: Aber ich glaube, das Entscheidende ist, dass mit dem Aufkommen der Nationalstaaten im Ninzehn und Hundert kommt, die Idee auf.
00:05:15: Es gibt ein fixes Territorium.
00:05:17: Es gibt eine fixe, stabile Kultur, die man klar definieren kann.
00:05:23: Und dazu gibt es eine passende Bevölkerung, oder?
00:05:25: Das ist eigentlich das Mindset der Nationalstaaten.
00:05:28: Und das ist natürlich in Wirklichkeit nie so gewesen.
00:05:33: Aber es wird im neunzehnten Jahrhundert so hinkonstruiert.
00:05:37: Und es wird dann, wie wir natürlich auch wissen, im zwanzigsten Jahr, also auch im neunzehnten Jahrhundert teilweise, aber vor allem im zwanzigsten Jahrhundert mit enormen Konsequenzen dann versucht, gewissermaßen Realität werden zu lassen, homogene Bevölkerung oder indem man entweder Bevölkerungsverschiebungen vornimmt oder eben tatsächlich genozidal.
00:05:55: agiert und bestimmte Gruppen auch aus der Bevölkerung nicht nur ausschließt, sondern auch teilweise, wie wir wissen, im Holocaust ermordet, um homogene Gesellschaften herzustellen.
00:06:09: In diesem historischen Bogen würde ich das sehen und diese Fantasie, das ist eine... homogene Bevölkerung gibt, mit einer einheitlichen Kultur, die auf einem klar definierten Territorium lebt, ist eigentlich, würde ich denken, eine Erfindung der Nationalstaaten und deren erstaunlich haltbare Erbschaft.
00:06:36: Also das ist ja interessant finde ich, das Bemerkenswerte daran ist eigentlich, dass das so nachhaltig in den Köpfen bleibt.
00:06:46: und geblieben ist.
00:06:47: Diese Nationalstaaten haben sich ja dann auch eine Geschichte zurückgeschrieben, die mussten sich ja irgendwie herleiten.
00:06:54: oder darum kommt natürlich, daher kommt die Vorstellung, dass das eigentlich ältere Geschichten sind.
00:06:59: oder da sind wir bei so komischen Konstrukten und Konzepten, die heute auch schon zerlegt worden sind von der Wissenschaft wie Völkerwanderung etc.
00:07:07: Also die müssen sich ja eine lange Geschichte zurückgeben, diese Nationalstaaten, aber das finde ich eigentlich, dass Bemerkenswerteste ist, dass diese Dinge sich in den Köpfen so eingefressen haben, dass wir sie heute fast nicht mehr rausgehen oder?
00:07:20: Das ist eigentlich der größte Erfolg, würde ich sagen, der Nationalstaaten, dass die ihr Konzept so nachhaltig eingebaut haben in die Köpfe der Bevölkerung, dass das heute noch so wirksam ist.
00:07:36: Menschheitsgeschichte könnte man sagen eine sehr junge Idee, wenn wir uns den ganzen Verlauben sehen.
00:07:42: Aber es
00:07:42: wirkt
00:07:42: jetzt natürlich, wie du sagst, die Geschichte schreibe nach hinten hin, als wäre es eh schon immer so gewesen.
00:07:48: Und ganz aktuell, natürlich sieht man, finde ich, sehr gut an der globalen Rechten eigentlich, wie diese Erzählung, dieses Frühjahr, dieses Retrotopische, dass es vermeintlich einmal gab, dieses Es geht noch nicht ums ethnisch-homogen, es geht vor allem um Weiß und Homogen.
00:08:03: Dieses Land, diese Nation, wie auch immer in der Form existiert hat, das ist ganz wichtig, glaube ich, auch in der Argumentation.
00:08:11: Aktuelle rechtspopulistische Parteien, dieses Rückwärtsgewandte in eine Vergangenheit, die in der Form eigentlich nie existiert hat.
00:08:19: Völlig richtig.
00:08:19: Und das wird halt immer, gleichzeitig ist es, also dieses Konzept ist, einerseits ist es sehr star, könnte man sagen, oder?
00:08:28: wie wir gerade gesagt haben, oder Bevölkerung, Kultur, Territorium ist ja star mit diesen Homogenitätsvorstellungen und gleichzeitig dann auch erstaunlich flexibel, weil sich das ja immer wieder ein bisschen ändern kann.
00:08:38: Also genau, was du gerade gesagt hast, wer wann als weiß gilt, ist ja enorm wandelbar in der Geschichte, wie wir wissen.
00:08:49: Das ist ja nicht, also es hat... Er ist sekundär, was mit Hautfarbe tatsächlich zu tun und ist eine komplexe Zuschreibung, die sich bei bestimmten Gruppen, nicht nur innerhalb Europas, sondern auch wenn man in die USA beispielsweise schaut, oder?
00:09:06: Also hat sich das historisch sehr stark verschoben, oder?
00:09:09: Zum Beispiel mit Latinos und so weiter.
00:09:12: Wer gilt da wann, als tatsächlich weiß oder eben nicht weiß?
00:09:16: Et cetera.
00:09:16: Also das bisschen zu Juden gibt es ja gerade eine schöne Ausstellung im Jüdischen Museum, passend zu dem Thema muss man sagen, oder?
00:09:26: Dass dieses Konzept, also wer es hier eigentlich weiß, das ist nicht statisch auch, sondern auch historisch wandelbar.
00:09:33: Und diese Vorstellungen von Homogenität werden ständig, also diese ethnischen Vorstellungen werden ständig überlagert mit anderen Aspekten, oder?
00:09:40: Also jetzt zum Beispiel auch ganz starke Religionen natürlich.
00:09:43: beispielsweise und und anderes, die das irgendwie auch immer aber wieder so komisch auffrischen.
00:09:49: Dieses dieses Konzept und einem Leben erhalten haben wir den Eindruck.
00:09:53: Also die Ausstellung im Judischen Museum heißt, weiße Juden, schwarze Juden meines Rostens, ist ganz neu eröffnet.
00:10:01: und genau in diesem Diskurs eigentlich drinnen zu sagen, und das ist nämlich ein gutes Beispiel dafür, wie ein und dieselbe Gruppe an Menschen in einer gewissen Zeit aus weiß, als zugehörig könnte man sagen und in anderen Zeiten als schwarz etnisiert, rasifiziert, als nicht zugehörig betrachtet wird.
00:10:19: und auch der Wandel.
00:10:20: Und die feinlichen Staaten sind wirklich in Gruppe.
00:10:22: gutes Beispiel, wie du sagst, wo wir ja auch wissen, und das lässt sich ja historisch nachvollziehen, dass eine Zeit lang beispielsweise italienische Einwanderer, also nicht weiß, gar nicht.
00:10:31: für heutige Vorstellungen absurd klingen mag, was aber natürlich die ganze Absurdität des Rassenbegriffs- und Anführungszeichen uns deutlich vor Augen führt, wie arbiträr dieser eigentlich ist.
00:10:42: Und dahinter geht es natürlich ganz stark um die Frage dieses, würde ich sagen, auch nationalen wir, also nicht nur sozusagen das, was ich als Rasse, als Ethnie, als Race in den feinigten Staaten definiere, sondern auch das, was ja auch in der amerikanischen Verfassung, we the people, we the folk, das hat sich auch über die Zeit stark... gewandelt werden, als Teil des Volkes gilt und noch enger natürlich Teil jenes Volkes, das auch stimmberechtigt ist und von dem diese Macht im Sinne des Souveränes ausgeht.
00:11:11: Also da wurden ja viele Kämpfe im Laufe der Geschichte durchgefochten, um Teil dieses Souveränes dann werden zu können.
00:11:19: Ich würde sagen immer noch nicht ganz ausgefochten dieser Kampf.
00:11:23: Genau, völlig richtig, oder?
00:11:25: Und das ist aber das Interessante auch an den USA, dass natürlich, also wir wissen das oder beide, Also bei der Unabhängigkeitserklärung sind da keineswegs alle with the people, oder?
00:11:36: Das ist eine kleine, exklusive Gruppe von männlichen Besitzenden, sagen wir mal.
00:11:44: Das ist die with the people Gruppe.
00:11:46: Aber das Spannende an den USA ist natürlich, dass damit einer Allgemeine oder universelle Formulierung gefunden wurde, in die sich in der Zeit danach alle zumindest rein reklamieren konnten.
00:12:02: Man muss von We The People nicht abgehen in den USA, sondern man muss sagen, halt, wir sind auch Teil davon.
00:12:10: Man muss nicht sagen anderes Konzept, sondern man muss sagen, We The People müssen wir erstmal realisieren in der universellen Bedeutung.
00:12:19: die sie anscheinend vom Beginn hat, aber die am Anfang nie realisiert wurde, ne?
00:12:24: Und so können eben bestimmte Bevölkerungsruppen bei Frauen begonnen, natürlich.
00:12:27: Aber auch Schwarze und so weiter können dann einfach sich mit We The People reinbringen.
00:12:31: Das ist ja, das finde ich immer das Bemerkenswerte in den USA.
00:12:34: Du musst eben von We The People nicht abgehen, sondern du musst es einfordern.
00:12:39: Das ist eigentlich,
00:12:40: das
00:12:40: ist die, das ist die, also das würde ich sagen, ist die Stärke oder natürlich auch die bleibende... Bedeutung könnte man sagen, glaube ich, der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und dieses Settings, oder dass da ein universeller Maßstab geschaffen wurde, der am Anfang überhaupt nicht realisiert war, aber der in der Zeit danach die Möglichkeit geschaffen hat, dass man sich rein reklamiert.
00:13:04: Ja, das ist natürlich immer noch ein großes Ideal, kann man sagen, an dem man sich weiterhin jetzt auch im Sinne von zivilgesellschaftlichen Bewegungen oder Protestbewegungen abarbeitet, in positiven Sinne abarbeitet, weil gerade in Zeiten wie diesen wo manche das, was in den USA derzeit passiert, als faschistisch, faschistuit beschreiben würden, dass man genau das Richtschnur hat.
00:13:27: Also was heißt das eigentlich, das auch von der Theorie in die Praxis zu bringen?
00:13:31: Genau, genau.
00:13:32: Jetzt sind wir schon ein bisschen weg von der Migrationsgeschichtsschreibung.
00:13:34: Ich versuche, den Bogen zu spannen.
00:13:36: Aber es hat eine Migrationsschreibung.
00:13:39: Nein, und ich glaube, das muss man vielleicht auch sagen, oder?
00:13:42: Ich würde jetzt sagen, so wie wir Migrationsgeschichte verstehen, ist es eben auch immer eine Geschichte der Diversität der Gesellschaft, oder?
00:13:51: Ich glaube, das ist das Entscheidende, oder?
00:13:53: Es ist so wie, ich sage es mal, wie ich es verstehe, zumindest ist es nicht nur eine Geschichte davon, dass Menschen von A nach B wandern und vielleicht nach C oder von B wieder nach A zurück oder wie auch immer oder in B bleiben, whatever.
00:14:07: Aber ich glaube, Also, wo ich Migrationsgeschichte jetzt immer verstanden und betrieben habe, ist es eine Geschichte der diversen Gesellschaft, oder?
00:14:18: Und ich glaube, das ist ein ganz entscheidender Punkt.
00:14:22: Und ich würde noch anschließen, dass ja diese Integrationsdebatte eigentlich eine Debatte über Zugehörigkeit ist.
00:14:28: Also wer ist Teil dieses Viers, nicht?
00:14:30: An dem arbeiten wir uns ja auch ab.
00:14:32: Und was braucht es, dass man Teil des Viers wird?
00:14:34: Oder ist es ein reines Papier?
00:14:36: Es ist eine bündliche Erklärung?
00:14:38: oder hat es irgendwas mit einem Verhalten zu tun und was es erlaubt an Abweichung und nicht und alle diese Fragen, die damit zu tun haben, dann mal.
00:14:47: Warum ist jetzt in der Vorstellung dieses nationalen Wirs, wie es vermeintlich gewachsen ist, die Migration, jetzt auf Österreich, Deutschland, den deutschsprachigen Namen bezogen, wenn überhaupt dann eine Fußnote?
00:15:03: aber sicherlich nicht definierend für das nationale WIR.
00:15:07: Mir kommt es zumindest zuvor, dass das der dominante Diskurs ist.
00:15:10: Also ja, irgendwie anerkennen wir, es gab Migrationsbewegungen heraus aus den deutschsprachigen Ländern.
00:15:17: Vielleicht nicht ganz freiwillig immer, aber okay.
00:15:20: Und dann gab es vielleicht welche hinein.
00:15:21: Aber große Modo waren das eigentlich neben Erscheinungen unserer nationalen Geschichte, weil der Großteil ist sozusagen sesshaft und das sind wir wieder durch Homogenität etc.
00:15:31: etc.
00:15:33: Das ist, denke ich, eine noch sehr dominante Wahrnehmung.
00:15:37: Auch wenn sie sich vielleicht ein wenig ändert in gewissen Kreisen, aber immer noch sehr wirkmächtig.
00:15:42: eigentlich ist in der Erzählung, dass Migration ja vorkommt, aber wenn dann sehr am Rande.
00:15:48: Ja, ich glaube, es ist aus dieser nationalen Geschichtsschreibung zunächst mal systematisch ausgeblendet worden, weil es eben nicht der erwünschte Normalfall war, sondern der erwünschte Normalfall war eben die sesshafte Bevölkerung, die einheitlich ist an einem Ort.
00:16:03: und ist erst in den letzten Jahren, Jahrzehnten rein reklamiert worden.
00:16:08: Und ich glaube schon, dass sich ein bisschen was geändert hat.
00:16:11: Aber du hast recht, ich glaube, so richtig sind wir aus diesem, das ist ja allgemein einbefund, denke ich, oder wir versuchen immer, so transnationale und globale Geschichte stark zu machen und so, aber so richtig sind wir aus diesem nationalen Korsett, glaube ich, in der Geschichte immer noch nicht rausgekommen.
00:16:28: Das hat mit ganz verschiedenen Dingen zu tun und die Geschichtswissenschaft ist eben auch.
00:16:33: Im Jahrhundert eine Tochter des Nationalstaats könnte man sagen, oder?
00:16:38: Also das ist nicht zufällig eine Parallelentwicklung mit dem Nationalstaat.
00:16:42: Entsteht im Jahrhundert.
00:16:43: die professionellisierte akademische Geschichtsschreibung wird von den Staaten gepflegt, genau aus diesem Grund.
00:16:51: weil man eben sich eine Geschichte geben will, die zu diesem Nationalstaat passt und konstruieren will und die Rückverfolgen will.
00:17:00: und deshalb beschäftigen sich dann eben die französischen Historiker vor allem mit der französischen Geschichte und die britischen Historiker vor allem mit der englischen Geschichte und die deutschen mit der deutschen und so weiter, oder?
00:17:11: Also das ist eben die Logik und das entsteht eben... Das ist eine Parallelentwicklung, oder?
00:17:17: Das werden der Nationalstaaten und das werden der akademischen Disziplin Geschichte.
00:17:24: Und darum hat sich das eben so stark miteinander verwoben, dass wir das heute, glaube ich, ganz schwer auseinanderkriegen.
00:17:32: Sehr interessant ist, glaube ich, dass diese, also das sagen wir mal, die Auswanderung wird immer total anders bewertet, oder?
00:17:41: Also auch, wenn man sich das in der österreichischen Geschichte anschaut.
00:17:45: Let's face it, in den meisten Fällen waren diese Menschen, die aus Österreich weggegangen sind.
00:17:52: Heute würden wir sie Wirtschaftslüchtlinge nennen.
00:17:55: Es sind gegangen, weil die nicht aus irgendwelchen Tirolertälern kamen oder irgendwelchen Landstrichen in Vorberg oder so.
00:18:03: Oder anderen gegen in Österreich, weil es dort keine Möglichkeit gab, ein Einkommen zu sichern.
00:18:10: Und die sind halt weggegangen.
00:18:12: Also das ist von Schwabenkindern angefangen.
00:18:14: Und man ist dann halt, im neunzehnten Jahrhundert ist man halt dann in die USA gegangen.
00:18:20: Auch aus anderen, also jetzt auch nicht nur aus dem kleineren Österreich heute, sondern oder, wie wir wissen, ganz viel aus anderen Teilen der Habsburger Monarchie und zwar in einem sehr, sehr, sehr großen Maße oder in der zweiten Hälfte des neunzehn Jahre als mehrere Millionen Menschen, die aus dem Habsburger Reich Richtung USA, nach Übersee sagen wir mal, aufbrechen.
00:18:45: Heute würden diese Menschen nach allen Regeln, die wir haben, im Diskurs als wirtschaftslöchige gelten und damit delegitimiert werden.
00:18:54: Und in der historischen Selbsterzählung der Nationalstaaten ist es eigentlich, also wir finden es ja dann heute, Also zumindest so rührend, wenn ich toll, dass es in Südamerika irgendwelche Dörfer gibt, die ausschauen wie Tiroler Dörfer, weil die einfach ihre Kultur mitgenommen haben und versucht haben dort homogeal zu bleiben und zusammen einen Dorf gegründet haben.
00:19:22: Und das eben auch noch genauso ausschaut, wie im Tirol oder so.
00:19:26: Das finden wir ja prima.
00:19:27: Hier würden wir sagen, parallel Gesellschaft und geht eigentlich nicht.
00:19:33: Nicht gut integriert, wie du jetzt meintest.
00:19:36: Und beziehungsweise gar nicht integriert.
00:19:38: Aber in so herum, wenn es um Auswanderung geht, dann scheint das immer für alle völlig okay zu sein.
00:19:46: Interessanterweise auch, dass man eben aus Österreich oder in Teilen der Habsprogramme hier oder hier macht.
00:19:52: anderen gegen den Europas eben aus wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen hat, um woanders eine Möglichkeit zum Arbeiten zu haben und Geld zu verdienen etc.
00:20:02: Manchmal ist man in Ritur gekommen oder das haben wir ja auch erst, glaube ich, in den letzten Jahren richtig gut realisiert, dass das hin und her eigentlich viel größer war, als man dachte.
00:20:13: Also man dachte immer, die Leute gehen einfach und bleiben dann da oder in Möglichkeit gab es sehr viel hin und her.
00:20:18: Aber das wird, glaube ich, anders bewertet als wir heute Flüchtlinge bewerten oder wenn sie herkommen und wie Immigration gewissermaßen anders herum gesehen wird.
00:20:33: Das ist glaube ich auch ein ganz wichtiger Punkt, der selten auffällt.
00:20:40: Habe ich den Eindruck, wenn über Migration geredet wird, wenn die eigenen, ich sage jetzt die eigenen Leute, also wenn die eigenen Leute weggehen, dann geht das immer als gerechtfertigt.
00:20:51: Wenn andere herkommen, dann ist es immer krisenhaft und ein Problem.
00:20:58: Dahinter mag natürlich... vielleicht auch die Idee stehen oder eine unterschiedliche Bewertung der eigenen, jetzt sage ich mal, Tiroler Kultur, die ja so erhaltenswert und schützenswert ist, dass sie bitte auch in der Deiner Amerika weiter bestehen soll.
00:21:12: Weil ist das nicht alles unglaublich herzig, was diese Tiroler da an, ich weiß es nicht, Spezialitäten kochen und backen und an deutscher Sprache artikulieren und an Tracht mitbringen, aber andere Kulturen dann vielleicht das weniger herzig.
00:21:27: Erhaltenswertung betrachtet.
00:21:29: Ja, also das
00:21:30: ist auch eine Abstufe.
00:21:30: Hier
00:21:30: reicht die Risierung wieder drin, wenn wir es Rassismus oder nicht, I don't know.
00:21:36: Aber das bildet sich vermutlich sehr subkultant auch ab.
00:21:41: Und ich denke auch, dass diese Frage des Überlebens, das wird sehr wohl zuerkannt bei jenen, die ausgewandert sind, dass das notwendig war, um das Überleben nämlich nicht nur für sich selbst zu sichern, indem sie versuchen, anderswo in einer anderen Region der Welt einen Lebensunterhalt zu verdienen, sondern sie haben damit ja auch ... die Gesellschaft im Herkunftsland entlastet.
00:22:03: Vor allem war es auch vielfach in den Familien nicht.
00:22:05: Es war teilweise aufgrund des Erbrechts.
00:22:08: In manchen Teilen Österreichs hat der älteste Sohn alles geerbt.
00:22:11: In anderen Teilen war es so, dass es immer weiter aufgeteilt wurde, der Hof und dann blieb quasi nichts mehr übrig, wovon man leben konnte.
00:22:17: Und da war es eigentlich notwendig auch, um das Überleben jener zu sichern, die bleiben, das andere gehen.
00:22:24: Und das ist, finde ich, sehr stark präsent jetzt auch in dieser vielleicht etwas nostalgischen ... Art und Weise, wie wir auf diese Auswanderer Geschichte aus Österreich oder aus Deutschland blicken.
00:22:35: Aber umgekehrt im aktuellen Diskurs bei Personen, die jetzt, ich weiß es nicht, dass Nordafrika mittleren Osten zu uns kommen, fehlt mir das komplett in der Diskussion.
00:22:45: Also überleben wird maximal zugestanden als eine Motivation, ein sogenannte Pushfaktor, wenn es um politische Verfolgung und Bürgerkrieg geht, aber ganz bestimmt nicht das ökonomischen Gründen.
00:22:55: Genau.
00:22:57: Ja, genau.
00:22:57: Und das hat natürlich was mit dem Setting auch nach dem zweiten Weltkrieg zu tun oder im zweiten Weltkrieg oder das eben politische Gründe oder bestimmte Verfolgungsgründe werden höher bewertet als andere.
00:23:10: Aber de facto anschließend an das, was wir ja am Anfang gesagt haben, der Mensch ist eben kein Baum, sondern es liegt in seiner Natur, dass er sich bewegen kann.
00:23:19: Obwohl er vielleicht auch gerne bleiben will, aber er kann sich ihn bewegen.
00:23:22: Und wenn es ihm dort, wo er ist, nicht gut geht, dann wird er eben nach Möglichkeiten suchen woanders hinzugehen.
00:23:30: warum sollte er nicht?
00:23:32: oder so sind Menschen immer.
00:23:33: aus genau diesen gründen sind Menschen immer historisch gewandert ist ja nicht irgendwo hingegangen wo sie schlechter ging sondern wo sie eben bessere Bedingungen vorgefunden haben für was auch immer wie sie ihren lebensunterhalt halt sichergestellt haben.
00:23:48: und Ja, dass das in den und jetzt jenseits von irgendwelchen, wie soll ich sagen, wilden Fantasien eine grenzfreie Welt und so weiter, dass das in allen Überlegungen und Diskussionen so überhaupt keine Rolle spielt oder ausgeblendet wird.
00:24:09: ist auffindlich hoch interessant.
00:24:10: Und ist zumindest, sagen wir mal, im harmlosesten Fall, ist es also nicht nur Geschichtsvergessen, sondern ist natürlich auch wahnsinnig unempartisch zunächst mal.
00:24:21: Also ganz banal, oder?
00:24:22: Also als zwischenmenschliche Geschichte zu verstehen, also warum machen sich Menschen auf dem Weg?
00:24:28: Also als ob das ein, was wissen wir auch, oder als ob das ein leichter Weg wäre, auf dem man sich leichtfertig macht, weil es keinen Grund gäbe oder so.
00:24:40: Und das wissen wir, also sind ja auch diese Migrationsrouten nicht unter.
00:24:44: Das ist ja kein leichter Weg, auf den man mal schnell geht.
00:24:48: und dass das überhaupt nicht wahrgenommen wird.
00:24:53: Wie gesagt, hat jetzt gar nichts mit Humanitätsduselei oder so wenig zu tun, sondern, dass das so komplett ausgeblendet werden kann oder nach dem Motto, ihr seid noch mal da geboren, also bleibt's bitte, taut und wir sind nun mal hier und fertig.
00:25:07: Das finde ich auch, das ist auch sehr bemerkenswert.
00:25:10: Also da sieht man auch, wie eben diese Kategorien und Muster, was wir vorhin gesagt haben, Nationale und so, wie sich, also wie... tief sich das eingelegt hat ins menschliche Denken und in Verhaltensweisen und Wahrnehmungen etc.
00:25:30: Es fehlt ganz starkere Sicht auf Migration als das, was es ist, nämlich eine Form der Adaptionsmöglichkeit, eine Adaptierungsstrategie und eine Überlebensstrategie.
00:25:40: Dadurch auch ich adaptiere, passen mich an an meine Gegebenheiten und wenn ich anderswo bessere Gegebenheiten finde, Um zu überleben, um mich persönlich zu entfalten, um mich weiter zu bringen und weiter zu bilden,
00:25:51: etc.,
00:25:52: etc.,
00:25:53: dann ist das natürlich zutiefst menschlich.
00:25:55: Man denkt gern, per suit of happiness, nichts immer wieder beim amerikanischen Diskurs gelandet, dass man das auch dann diesen Schritt setzt.
00:26:01: Nicht alle und wir wissen, dass das auch sehr unterschiedlich ist, je nach auch individuellen Faktoren.
00:26:06: Es gibt eben einen und derselben Kontextpersonen, die bleiben und die gehen.
00:26:09: Aber
00:26:10: natürlich hängt das auch damit zusammen nach diesem Streben nach einem besseren Leben oder überhaupt dem Überleben.
00:26:17: Und ich glaube, dieser Blick auf Migration ist jetzt vor allem aufgrund der starken Versicherheitlichung.
00:26:23: Wir blicken vor allem eher Angst getrieben, würde ich sagen, auf Migrationsbewegungen weltweit ist komplett verloren gegangen.
00:26:31: Auch wenn wir an Klimakrise denken, wo das eine wichtige Attraktionsgerichte
00:26:34: wäre.
00:26:34: Ich wollte das gerade sagen, oder?
00:26:36: Also erst mal, wie du richtig sagst, oder Pursuit of Happiness, oder?
00:26:40: Da wird er erkannt, das ist eine menschliche ... Ja, also ... Kostante und eine ... Und das ist auch ein menschliches Recht.
00:26:49: Also darum geht es ja zu sagen, eigentlich.
00:26:53: Das ist auch irgendwie ein menschliches Recht.
00:26:56: Und ... Und wie du richtig sagst, das ist mir auch gerade eingefallen oder bisher arbeiten wir uns an dem an dem Wirtschaftsflüchtling ab als als einer illegalisierung von Menschen, die sich die sich bewegen von A nach B. Aber genau, es ist völlig klar, dass in Zukunft der, nennen wir es mal Klimaflüchtling, eine Rolle spielen wird.
00:27:20: oder kann man sagen, ist das auch ökonomisch oder nicht?
00:27:23: oder klar ist, dass die Welt sich vermutlich in bestimmten Gegenden dermaßen tiefgreifend verändern wird, dass man vielleicht hier und da nicht mehr leben kann, sei es, weil bestimmte Landstreiche überschwemmt werden oder ähnliches oder die Temperaturen so hoch werden etc.
00:27:42: Es wird interessant sein und diese Diskussion gibt es ja bereits, natürlich.
00:27:47: Oder wie bewerten wir das?
00:27:48: Als ein Fluchtgrund, wenn klar ist, dass eigentlich in bestimmten Gegenden der Welt ist tatsächlich keine Lebensmöglichkeit oder keine Lebensgrundlagen mehr gibt.
00:27:59: Und zwar jenseits dessen, dass man einfach sagen könnte in anderen Landstrichen, weil hätte man es ökonomisch besser.
00:28:04: So ganz basal, also dass man da eigentlich nicht mehr leben kann, weil vielleicht auch das das Gebiet selbst eben überschwemmt ist oder.
00:28:12: Ähnlich ist.
00:28:13: Was ist dann?
00:28:15: Man wird nicht erwarten, dass die Menschen dort einfach warten und mituntergehen.
00:28:20: Also werden die sich woanders hinbewegen.
00:28:23: Die Frage, wie weit, ob sie da bei Grenzen überschreiten etc.
00:28:25: Aber das ist sicherlich ein Aspekt, der in Zukunft eine größere Rolle spielen wird und der auch diese Frage aufhüft.
00:28:33: Aha, also was sehen wir jetzt jenseits dessen, dass wir uns darauf verständigt haben, eben nach dem zweiten Weltkrieg, dass wir... dass wir eben sowas wie politische Gründe und Verfolgungsgründe nach bestimmten Mustern, dass wir das als legitim für Individuen anerkennen, oder?
00:28:50: Aber was ist dann mit diesen Phänomenen, oder?
00:28:53: Darauf sind wir auch in der Debatte zumindest mal schlecht vorbereitet, würde ich sagen, so wie die derzeitigen Debatten schon über sogenannte Wirtschaftslüchtlinge laufen.
00:29:06: Ich finde ja überhaupt diese Debatte zu Klimamigration, das mache ich einen kurzen Exkurs, weil ich denke, das ist auch interessant.
00:29:11: Das ist die Geschichtsschreibung in der Making, glaube
00:29:13: ich.
00:29:15: Ist auch provokant gefragt.
00:29:19: vielleicht in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren arbeitslos werdende Tiroler-Schi-Lift-Wart, wenn der dann nach Deutschland, in die Schweiz oder in ein anderes europäisches oder eine Drittstadt-Land geht, ein Klimamigrant, weil er nicht mehr von seinem ursprünglich gelernten Beruf aufgrund der Klimakrise leben kann und deshalb anderswo eine andere Beschäftigung sucht.
00:29:39: Den wird man höchstwahrscheinlich nicht durch die Brille eines Klimaflüchtlings oder Migranten sehen, aber de facto haben Klimagründer massiv zu seiner Mobilität, zu seiner der Bewegung grenzüberschreitend beigetragen.
00:29:52: Das sind wir wieder bei dieser Unterscheidung, wie du sagst.
00:29:54: Auswanderer und Einwanderer, ein wenig eine andere Bewertung vielleicht, die dahinter steht.
00:29:59: Auch eine andere Form der nostalgischen Verklärung bei den einen und mehr Abwehrhaltung bei den anderen
00:30:05: vielleicht.
00:30:08: Ich würde gerne an dem Anschließen mit dieser Unterscheidung ein und Auswanderer.
00:30:12: Meinst du, das ist auch ein Grund, warum wir zwar gerne und sehr nostalgisch verklärt auf gewisse Auswandererbewegungen zurückblicken und da auch den Austausch suchen mit diesen Communities in Drittstaaten.
00:30:28: Umgekehrt aber vor allem in der jüngeren Geschichte Österreichs, Deutschland, der Schweiz.
00:30:34: Migration als solches Wenig, würde ich sagen, oder kaum Teil der aktiven Erinnerungskultur geworden ist und nämlich auch jene Formen der Migration, die wir als Gewalt- oder Zwangsmigration bezeichnen würden, wo eben immer eine Element der Unfreiwilligkeit dabei ist, wo teilweise ja Menschen auch am Weg nach Europa oder in Europa zu Tode gekommen sind, was in der offiziellen Geschichtsschreibung aus meiner Sicht weiterhin eine starke Lücke eigentlich darstellt.
00:31:03: Und die Tatsache, dass Flucht und Vertreibung so zentral sind, auch in den europäischen Aufnahmestaten nach, nämlich immer noch nicht so wirklich Teil des offiziellen Gedächtnisses geworden ist.
00:31:15: Ja, also wenn es keine Geschichtsschreibung gibt, wie wir am Anfang gesagt haben, dann gibt es auch keine Erinnerungskultur.
00:31:20: oder das eine Bedingte, das andere würde ich sagen und spiegelt es.
00:31:24: Der Befund ist natürlich richtig und auch da ist klar, oder?
00:31:33: Strukturell ähnliche Vorgänge werden unterschiedlich bewertet.
00:31:36: oder also der Klassiker ist natürlich das allein in der deutschen Diskussion für die ethnisch-deutschen.
00:31:47: die bei Kriegsende aus Osteuropa vertrieben werden, ein eigener Begriff eingeführt werden, die mich die Vertrieben nennen.
00:31:54: Also diese Gelder sind nicht Flüchtlinge, es ist auch keine Displaced Persons oder was auch ich mal sonst an Begriffen in der Zeit gibt, sondern sie sind eben Vertriebene.
00:32:05: Also das ist im Deutschen ein Spezialbegriff, der für diese Gruppe eingeführt wird.
00:32:10: Wir wissen natürlich auch mittlerweile aus der Forschung der letzten, sagen wir mal, zwei, drei Jahrzehnte, die auch nicht immer mit großer Begeisterung empfangen wurden, interessanterweise, obwohl sie ja als Deutsche galten.
00:32:25: Aber zumindest wurden sie dann doch anders bewertet, wie dann spätere Migranten, die nach Deutschland gekommen sind und werden eben begrifflich auch noch immer spezial behandelt, sagen wir mal.
00:32:37: Das ist ja auch hochinteressant.
00:32:40: Tatsächlich, erinnerungskulturell gibt es da, glaube ich, einiges aufzuholen und das ist eben ... auch keinen Nebenschauplatz, das ist ja eigentlich das Zentrale, oder?
00:32:49: Das ist kein Nebenschauplatz, sondern ... ... was wir in der Geschichte abbilden, das ... ... versuche ich ja auch immer, oder versuche ... ... sage jetzt mal wir, also so Kolleginnen, die in die gleiche Richtung ... ... arbeiten oder in den letzten Jahren ... ... deutlich zu machen.
00:33:06: Das ist jetzt nicht so eine, das ist nicht nur eine akademische Frage ... ... für Historikerinnen, oder ... ... ob in der Fußnote oder in einem Kapitel ... ... Migrantinnen vorkommen oder nicht, sondern ... letztlich wird damit verhandelt und sichtbar wer gilt in der gesellschaft als akzeptiert wer gilt als legitim hier anwesend sein?
00:33:27: wer kann auch dann in einem nächsten schritt sagen wir wollen auch vielleicht politisch mitreden und so weiter?
00:33:33: oder alle diese fragen von anerkennung und so?
00:33:35: die werden schon mal also vorsortiert gewissermaßen durch das, was in der Geschichtsschreibung sichtbar ist und dann auch in einer öffentlichen Erinnerungskultur abgebildet wird, oder?
00:33:50: Das eine geht nicht ohne das andere, glaube ich.
00:33:54: Und das ist das Entscheidende.
00:33:56: Also darum ist es nicht eine rein akademische Frage.
00:34:01: ob in irgendeinem Geschichtsbuch ein Kapitel über Migration ist oder ob das als Querschnittsthema durchgehend vorkommt und so und ob da ein Bild eines eben diversen Österreichs gezeigt wird oder eine Somogenen.
00:34:14: Ich glaube, das ist die Grundlage dafür, wie wir in der Öffentlichkeit eben dieses Land verstehen, wie wir die Bevölkerung verstehen und wie wir dann auch Fragen eben von Zugehörigkeit, von Partizipation, Mitsprache in der Politik etc.
00:34:28: regeln.
00:34:30: Und darum ist diese Erinnerungskultur eben wichtig.
00:34:37: Das ist nicht nur eine Luxusgeschichte, sondern das ist irgendwie wichtig.
00:34:40: Also wer ist da abgebildet?
00:34:42: Genauso wie es wichtig ist, dass da nicht nur Männer abgebildet werden und auch Frauen, sondern eben auch andere Gruppen und eben beispielsweise auch Und darum ist das ja in den letzten zehn, zwanzig Jahren auch zu einem großen Thema geworden.
00:35:02: Oder wie schaffen wir es eben auch?
00:35:05: die Geschichte von Migrantinnen, die Stimmen von Migrantinnen, die Erfahrungen von Migrantinnen in dieser Erinnerungskultur hineinzubringen, oder?
00:35:15: Da gibt es unterschiedliche Formate für, ja.
00:35:18: Klassiker ist natürlich Denkmal, oder?
00:35:21: Es ist auch inzwischen natürlich... Also, man könnte auch sagen, Denkmal ist ein bisschen aus der Mode gekommen, oder?
00:35:28: Das ist so, man kann sich auch fragen.
00:35:29: Außer Sie werden
00:35:30: mit Graffiti beschmissen.
00:35:32: Ist das ein... Also ist das noch ein... Ist das überhaupt noch ein Format, das sich heute anbietet?
00:35:38: Oder ist es natürlich so merkwürdig statisch, wie wir vielleicht viele Dinge gar nicht mehr denken?
00:35:43: Vielleicht ist es auch merkwürdig, eben sowas Dynamisches wie Migration in so einem statischen Format dann abzubilden.
00:35:51: Und wenn es dann figural wird, dann wird es immer gleich ganz schwierig heute.
00:35:56: Also über alle diese Dinge kann man ja nachdenken.
00:35:59: Aber klar ist, Es gibt ein Bedürfnis, und das ist natürlich auch ein Bedürfnis, das aus den Communities herausartikuliert wird zu Recht.
00:36:10: Aber ich glaube, es gibt eben auch allgemeine Bedürfnisse, einfach mal der diversen Gesellschaft sich in dieser Erinnerungskultur wiederzufinden und da irgendwie abgebildet zu sehen.
00:36:21: Klar, das ist, also sagen wir mal, in einer Homogenen, in einer Homogengedachten nationalstaatlichen Gesellschaft ist das natürlich alles viel unkomplizierter, oder?
00:36:30: Da nehmen wir eben ein paar weiße Männer und dann geht das schon, ne?
00:36:36: Also da ist das Schiss das Bedürfnis schon erfüllt.
00:36:39: Also das ist verhältnismäßig leicht, wenn sich die Gesellschaft demokratisiert.
00:36:44: Und der Anspruch besteht, dass man nicht nur Herrscher beispielsweise wie früher aufs Podest hebt und einen Denkmaler richtet, sondern auch andere gesellschaftliche Gruppen abbildet, dann wird das schon irgendwie sehr viel schwieriger.
00:36:57: Und genauso eben auch bei der Frage, wie kann ich jetzt Migration, sagen wir mal, oder die Diversität der Gesellschaft in der Erinnerungskultur abbilden.
00:37:05: Aber das ist, du weißt, an der du ja auch partizipierst, eine heftige Debatte in Österreich.
00:37:13: hat sich schon auch, glaube ich, in den letzten, ich würde jetzt sagen, zehn, elf, zwölf Jahren viel getan.
00:37:20: Oder ich glaube, so ein wichtiger Moment war tatsächlich, waren die vierzigjährigen Jubiläen der Anwerbeabkommen, Österreichs, Türkei, Jugoslawien vor allem, also zwanzig, zwölf und vierzehn.
00:37:34: Diese ganze Frage von Migration in der Gesellschaft hat natürlich dann kurze Zeit danach, fünfzehn nochmal andere.
00:37:39: Dynamik bekommen.
00:37:41: Ja, vierzehn und sechzehn, oder?
00:37:42: Jetzt haben wir einen kleinen historischen Fehler gemacht, also vierzehn und sechzehn.
00:37:45: Und da mittendrin war, war fünfzehn eben, können wir ja vielleicht auch noch kurz drüber reden, was das für eine Bedeutung hat.
00:37:53: Aber ich glaube, da ist das richtig so als Thema aufgekommen in Österreich.
00:37:58: Und ich glaube schon, dass sich einiges geändert hat in der Zeit seitdem.
00:38:02: Aber wir sind vielleicht immer noch nicht da, wo wir gerne wären.
00:38:05: Also es gibt auch Luft nach oben.
00:38:08: Und es gibt ja auch eben in Wien Debatten darüber.
00:38:11: oder ein Denkmal für, ja, für was?
00:38:15: Oder die die Proponenten dahinter sagen für die Gastarbeiter, die so genannten zu errichten, oder ist vielleicht der Anspruch ein Denkmal allgemein für die Diversität in dieser Stadt oder für Migrantinnen allgemein, weil wir natürlich wissen, dass das Wien seit Wie jede Stadt seit immer, oder wenn Menschen sich hier entschlossen hätten, von anderen Orten in die Städte zu gehen, in bestimmten Phasen werden sie nicht so gewachsen.
00:38:46: Aber wir wissen natürlich, dass auch dieses Migrationsthema in Wien, dass das natürlich auch im späten Neunzehntehundert ganz violent ist.
00:38:59: Wo auch diese Kämpfe ausgefochten werden bleibt wie überhaupt eine deutschsprachige Stadt.
00:39:03: oder ist es eher böhmisch?
00:39:05: Oder weil weil die so einen Ziegelböhmen herkommen für den Ringstraßenbau und so weiter, weil es so eine große Gruppe dann ist.
00:39:13: Also diese Debatten sind ja auch alle nicht neu oder ist.
00:39:15: interessant ist ja auch, dass das alles sehr repetitiv ist, dass die Gruppen ändern sich und und die, die damals als die Also die als Gefährdung galten sind heute längst integriert, oder?
00:39:30: Das ist eben der Witz mit dem Wiener Telefonbuch, wenn man es aufschlägt, mit den Namen, die man liest.
00:39:35: Das finden heute alle.
00:39:37: Zäge.
00:39:37: Genau, das sind praktisch völlig richtig.
00:39:41: Aber die Debatten bleiben irgendwie gleich.
00:39:44: Und es bleibt, glaube ich, der tatsächlich eine Aufgabe für eine diverse... Gesellschaft, eine Erinnerungskultur zu realisieren, das ist sicherlich immer noch Thema und da gibt es noch einiges zu tun.
00:40:06: Mich würde da ganz besonders interessieren, weil ich mich ja eher mit erzwungenen Formen von Migration, also Flucht zu humanitärer Aufnahme befasse, ob nicht gerade da... beim Blick auf Gedächtnis- und Erinnerungskultur auf Migration, das ist jetzt Überbegriff, nicht doch diese Unterscheidung wichtig ist, weil mir vorkommt, dass da noch einmal, wenn wir jetzt konkret Flucht erinnern, Vertreibung erinnern, Zwangsmigration erinnern, da nicht auch die Frage virulent wird, welche Lebens sind ja innerbar?
00:40:35: Nicht ein bisschen so abgeleitet von Judith Butler, welche Lebens sind bedrauerbar und welche nicht?
00:40:39: Immer noch, glaube ich, eigentlich ein großes Thema, unausgesprochenes Thema in unserer Gesellschaft.
00:40:45: Ich erwähne häufig in dem Zusammenhang, das passt jetzt sehr gut, weil wir ja zehn Jahre, also also in fünfzehn, begehen.
00:40:52: Die Tragödie von Paandorf, wo in dem Kühltransporter auf einer Autobahnraststätte oder näher einer Autobahnraststätte über siebzig Tote Geflüchtete gefunden wurden in diesem Kühltransporter, erstickt sind, muss man sagen, und bis heute kein permanentes Denkmal errichtet wurde, um an diese Menschenleben zu erinnern.
00:41:14: Es gab, ich habe das länger recherchiert, temporäre Gedenkstätten, zuerst direkt am Bannenstreifen, wo man das Verständlichen Gründen nicht verstetigen konnte.
00:41:23: Dann gab es auf der Friedensburg-Schleinig, das ist in Mittelburgenland, also örtlich weiter weg muss man sagen, eine Möglichkeit Kerzen oder Blumen abzulegen, auch das hat sich nicht verstetigt.
00:41:33: Meines Wissens gibt es da nichts, wo man sagt, wir setzen dem ein Denkmal.
00:41:39: Insbesondere deshalb, weil eigentlich würde ich meinen die deutschsprachigen Länder, es verstanden haben, eine sehr gute Erinnerung und Gedenkkultur aufzubauen, auch an die nicht so guten und schönen Kapitel der eigenen Geschichte, wo ich wahrnehme, dass Menschen, die aus ganz anderen Regionen der Welt herkommen, sich manchmal wundern, warum erinnert man daran?
00:42:00: Das glaube ich ist eines der Dinge, die gelungen sind, mühevoll.
00:42:03: Natürlich nur sehr viel Anstrengung, aber mit Blick auf jüngere, ja, auch dunkle Kapitel, die einhergehen mit Flucht und Vertreibung nach Europa.
00:42:13: Und es sind, wie gesagt, viele Menschen auf den Weg nach Europa ums Leben gekommen.
00:42:17: Da haben wir weiterhin, würde ich sagen, eine Leerstelle, die sich da auftut.
00:42:21: Zumindest ist mir das sehr wenig bekannt an einer von der permanenten, sich verstetigten Erinnerungskultur, die entstanden wäre.
00:42:30: Bis hin dazu, dass eigentlich nie thematisiert wird, wie auch Städte wie Wien.
00:42:36: Orte der Vertreibung und der Vertriebenen sind.
00:42:39: Die ganzen Geflüchteten aus dem Balkan kriegen beispielsweise unso weit und so fort.
00:42:43: Das sind lauter Kriegsflüchtlinge, die hier sind, die quasi den Krieg auch mit sich tragen.
00:42:47: Dieses Trauma könnte man sagen in Kollektiven.
00:42:50: Aber auch da eigentlich sehr wenig Möglichkeit geschaffen wurde, dass das wirklich hineingeschrieben wird in die weitere Geschichte dieses Landes.
00:43:00: Also ganz viele Punkte, ganz viele Punkte, oder?
00:43:03: Ich meine, man könnte jetzt eine stundenlange akademische Debatte darüber führen, glaube ich, inwieweit Flucht und andere Formen von Migration, ich sag jetzt mal Arbeitsmigration vor allem, weil die im Mittelpunkt steht, meistens bei diesen Diskussionen, also die sogar an Gastarbeiter eben, ab den Sechzigern in Österreich, inwieweit... man das eben feinsäubelig auseinanderhalten muss oder inwieweit das eher zusammenfließt.
00:43:28: Also wir wissen natürlich auch durch die Forschung, dass diese Dinge sich überlagern oder dass die Motivationen sich überlagern, auch bei der Arbeitsmigration, dass oft nicht nur Gründe eine Arbeit zu finden dahinter stecken, sondern dass man das Land auch verlässt aus anderen Gründen möglicherweise, die man sonst in einem anderen Setting als Fluchtgründe zählen würde etc.
00:43:50: Also... Das ist oft nicht so leicht zusammenzuhalten.
00:43:53: Aber du hast natürlich recht, es gibt strukturelle Unterschiede dabei.
00:44:00: Völlig richtig.
00:44:02: Ich betrachte sie meistens aus dieser Warte der, wie ich vorhin schon gesagt, der diversen Gesellschaft.
00:44:06: Und dann, finde ich, verschwimmt es eben stärker.
00:44:09: Aber es gibt sicherlich Gründe, es auch in bestimmten Momenten stärker auseinanderzuhalten.
00:44:15: Du hast das andere Thema angesprochen, mit dem ich mich ansonsten viel beschäftigt habe.
00:44:19: Das ist eben Erinnerungskultur auch in dem Mikrofollow-Course, den S-Zeit etc.
00:44:25: Ja, richtig.
00:44:25: Da ist es eben gelungen.
00:44:27: oder Erinnerung, also Erinnerungskultur früher.
00:44:31: ist natürlich immer heroisierend gedacht gewesen, man erinnert sich schon auch an Niederlagen und so, aber man erinnert sich in der nationalen Geschichte, die haben ja oft so eine formierende Funktion in national Geschichten, aber trotzdem erinnert man sich heroisierend daran an die Leistung und so weiter.
00:44:54: Und natürlich ist es tatsächlich gelungen, richtig.
00:44:58: ... mühevoll, wie wir wissen, und sehr ... ... also über mehrere Jahrzehnte, sagen wir mal, ... ... nach den Zweiten Weltkrieg eine ... ... selbstreflexive, kritische Erinnerungskultur ... ... so etablieren in Hinblick auf NS-Zeit und Holocaust, also ... ... und das auch in den öffentlichen Raum zu bringen.
00:45:18: Also, wo den Opfern gedacht wird.
00:45:20: Kompliziertere Frage ist schon ... ... dabei auch die Täter zu benennen, ... ... weil das ist schon auch bei den ... ... im NS-Kontext in Erinnerungskultur ... schwierig.
00:45:30: Es ist leichter, die Opfer zu benennen.
00:45:33: Das ist dann oft interessant, wie das passiert.
00:45:35: Es ist viel schwieriger, die Täterschaft zu benennen, aber grundsätzlich ist natürlich richtig, steht dahinter die Übernahme der Verantwortung in der Gesellschaft für das, was passiert ist, an Katastrophale, sagen wir mal.
00:45:52: Und das können wir bei anderen Themen ... bisher nicht beobachten.
00:45:57: Und ... ... das ... ... nehme ich an, hat viel damit zu tun, ... ... wie wir uns diese Geschichten erzählen ... ... oder die meisten würden vermutlich sagen, ... ... na ja, Pahndorf ... ... ist nur halt die Schlepper-Schuld gewesen, oder?
00:46:09: Aber irgendwie trifft Österreich keine Schuld, ... ... so und dann kommt natürlich eben dieses ganze ... ... Narrativ des Wirtschaftsflüchtlings, ... ... heißt es wie eh besser gewesen, ... ... wenn sich nicht auf den Weg gemacht hätten und so weiter.
00:46:19: Also ich glaube, dass ... ... alle diese Dinge, über die wir da geredet haben, ... ... schon jetzt ... dass die genau da greifen oder warum sich hier niemand zuständig fühlt.
00:46:29: Warum hier niemand glaubt agieren zu müssen und zu sagen zu müssen, das sind wir denen eigentlich schuldig hier ein Zeichen für zu errichten.
00:46:39: Ich glaube, dass da sieht man eben auch, wie wirkmächtig alle diese Narrative und wie wir uns diese Geschichten erzählen und wie wir es uns zurecht konstruieren mit Begriffen wie Wirtschaftsflüchtlingen, was eben letztlich eine Illegalisierung ist etc.
00:46:53: Das sehen wir da alles abgebildet und darum ist es natürlich keine Überraschung, könnte man sagen, dass die Gruppe, wo wir sagen wir mal am weitesten sind, Erinnerungskulturell, eben die Gruppe der sogenannten Gastarbeiter, Gastarbeiterinnen, ist, weil da sich zumindest alle mal drauf verständigen können oder inzwischen kapiert haben, na ja, die haben wir irgendwie damals geholt.
00:47:15: Also das haben alle verstanden.
00:47:17: jetzt, da gab es ein staatliches Interesse, einfach gesagt, bitte kommt, um hier zu arbeiten.
00:47:22: Wir haben zwar auch gesagt, kommt um zu arbeiten, aber bitte bleibt nicht oder nicht zu lange, bitte integriert euch nicht.
00:47:31: Oder das ist damals eine ganz klare Voraussetzung gewesen, bitte nicht integrieren, weil ihr müsst ja nach kurzer Zeit wieder gehen.
00:47:43: Weil das ethnische Konstrukt der Homogenengesellschaften soll bitte nicht verändert werden nach Möglichkeit.
00:47:48: Und wenn wir euch in der Wirtschaft nicht mehr brauchen, dann müsste es sowieso gehen.
00:47:52: Also das ist ja das Szenario, was damals entwickelt wurde.
00:47:57: Also total überraschend, oder?
00:47:59: Weil heute würde man ja denken, ich glaube auch, dass das viele annehmen, dass man gesagt hat, na ja, müsst euch integrieren, haben die halt noch nicht gemacht.
00:48:08: Falsch.
00:48:10: diesen Menschen ist praktisch gesagt worden, also was heißt gesagt worden, dass sie überhaupt nicht gesagt wurden, aber es gab auch überhaupt keine Mechanismen oder niemand hat darüber nachgedacht, wie man die integrieren kann, weil die Gesellschaft die überhaupt nicht integrieren wollte, weil sie sollten ja eine Verschubmasse gewissermaßen bleiben.
00:48:28: oder wenn wir sie nicht mehr brauchen, bitte wieder gehen.
00:48:33: Und das wird ja dort alles formalisiert auch festgelegt in rechtlichen Prinzipien.
00:48:39: Aber irgendwie haben alle kapiert in den Debatten der letzten Jahre in Jahrzehnte.
00:48:46: Aber wir haben sie zumindest geholt in einer Situation, wo wir sie wirtschaftlich brauchten.
00:48:50: Und irgendwie haben sie einen Anteil gehabt am wirtschaftlichen Aufschwung Österreichs oder auch Deutschlands etc.
00:48:57: und zwar keinen kleinen, wie wir wissen.
00:49:00: Und darum gibt es hier inzwischen ein Verständnis.
00:49:04: Aha, das müssen wir vielleicht abbilden.
00:49:08: Und
00:49:10: man kann es vielleicht auch jetzt, Rückblicke, dann doch als Erfolgsgeschichte schreiben, nicht?
00:49:14: Ich meine, die haben ja zum Wirtschaftsausschuss schon beigetragen.
00:49:17: Zweite, dritte Generation, das sind erfolgreiche Unternehmer draus entstanden, Kulturschaffende, Manageranwälte, ich weiß es nicht.
00:49:23: Und eigentlich hat das große Vodo eh gut funktioniert.
00:49:27: Pandorf kann ich nicht als Erfolgsgeschichte schreiben.
00:49:30: Völlig richtig.
00:49:30: Also völlig richtig, genau.
00:49:32: Man kann es auch im Rückblick, könnte man auch sagen, und es gibt ja auch wiederum ... Auch da gibt es natürlich in den Communities ein Interesse, es auch als Erfolgsgeschichte zu schreiben, oder?
00:49:42: Nach dem Motto, aha, ja, unsere Eltern oder Großeltern sind hergekommen und haben hier das Land mit aufgebaut und haben Familien gegründet und wir sind hier geblieben und wir fahren ja eh schon nicht mehr weiter auf.
00:49:54: Wir sind eh hier irgendwie gut integriert, haben super Jobs und so, oder?
00:49:57: Also alles das, genau.
00:49:58: Also das alles kann man erzählen, auch als eine gute Integrationsgeschichte trifft wohl nicht auf alle zu und ist etwas komplexer eben auch von den Ausgangsbedingungen, als es in dieser einfachen Version der Geschichte dann erzählbar wird.
00:50:11: Aber genau, hier ist die Möglichkeit, das so zu erzählen.
00:50:16: Parndorf oder ertrunkene Mittelmeer auf dem Weg nach Europa, das ist tatsächlich schwerer erzählbar.
00:50:29: Und bis hin zu der Frage, wer wäre hier eigentlich zuständig?
00:50:36: Wer würde hier sagen, wir sind irgendwie auch verantwortlich für diese Menschen, die da beispielsweise, wie du gesagt hast, auf der Autobahn erstickt sind in diesem Laster?
00:50:52: Wer nimmt sich dessen an?
00:50:53: Weil das ist ja die Frage.
00:50:54: Es muss sich ja in der Gesellschaft jemand an dieser Geschichte annehmen und... ... wenn es nix Positives ist, ist zu seiner Verantwortung irgendwie machen.
00:51:05: Und dazu ist offensichtlich ... ... bisher niemand bereit.
00:51:09: Und insofern ... ... zurück zu deinem Ursprungspunkt ... ... hier sehen wir natürlich schon, dass eben Flucht und ... ... und Arbeitsmigas beispielsweise dann stark auseinanderfallen, ... ... weil es da eben auch ganz unterschiedlich herangehensweisen jetzt ... ... bei diesen erinnerungskulturellen ... ... Fragen gibt.
00:51:28: Und ... Also bekanntermaßen unterstütze ich ja das sehr stark auch und finde es auch sehr richtig, dass dieser Fokus auf die Gastarbeiterimmigration gelegt wird, weil eben ist auch klar ist, oder dass in Österreich ist das der Moment, also im kleinen Österreich, was nach dem ersten Weltkrieg übrig bleibt und nach dem zweiten Weltkrieg wieder ersteht, ist das Anfang der sechziger Jahre, der Moment, mit dem dieses Land eben wirklich divers wird.
00:52:02: Also man könnte sagen, wieder nach der viel komplexeren Vorgeschichte mit dem Habsburger Reich etc.
00:52:08: und mit diesem tiefen Einschnitt der NS-Zeit und dem Holocaust, was ein Homogenisierungsunternehmen gewesen ist, ein ethnisches.
00:52:17: Und damit wird Österreich statistisch A zum Einwanderungsland und B wird es zu einer diversen... Gesellschaft in diesem Sinne und zwar in einem Ausmaß überwiesen heute, das erstaunlich ist.
00:52:32: Und insofern finde ich es richtig daran zu erinnern.
00:52:41: Aber du hast völlig recht, diese anderen Geschichten dürfen nicht auf der Strecke bleiben, gewissermaßen.
00:52:47: Und das wird sicherlich die Kunst sein.
00:52:52: das in der Debatte auch nachzuziehen.
00:52:54: Und wir sehen schon, wie schwierig diese Debatten sind bei dieser Gastarbeiter-Geschichte.
00:53:01: Das ist ja jetzt nicht so.
00:53:02: Also ich glaube, wir sind da eben schon weitergekommen in den letzten zehn Jahren, hat sich viel getan, wie gesagt, aber ist ja nicht so, dass alle uratschreien.
00:53:09: Wenn es da jetzt so ein Denkmal vielleicht in zwei, drei Jahren mal in Wien gibt oder ein Ort, wo daran tatsächlich erinnert werden kann und wo das sichtbar wird, also so ist es ja nicht.
00:53:20: Also da sind wir ja immer noch nicht.
00:53:22: Also es gibt, glaube ich, eine Gruppe, für die ist klar, so was braucht es jetzt.
00:53:25: Aber deshalb werden nicht alle sagen wunderbar Danke, sondern ich glaube auch das schon wird ein entstrittener Ort sein und dann kann man sich ungefähr ausmalen, wie weit wir noch entfernt sind vermutlich zu dem, was eigentlich die Aufgabe wäre, was du angesprochen hast.
00:53:42: Nachdem es ja jetzt wahrscheinlich dieses Gastarbeiterdenkmal geben wird, warum würdest du sagen, ist es so wichtig, dass auch öffentlich sichtbar im öffentlichen Raum Diese Erinnerung stattfindet.
00:53:56: Also nicht nur in Archiven, in Museen, irgendwo, wo man mal eine Schwelle überschreiten muss.
00:54:02: Also im Wortwörtlichen Sinne hochschwellig, wo man sozusagen erst einen gewissen Aufwand auf sich nehmen muss und bewusst diese Orte aufsuchen muss, um zu erinnern.
00:54:12: Sondern, und das schaffen wir, denke Meela würde ich sagen, sehr gut.
00:54:16: Man stolpert quasi drüber nicht.
00:54:18: Also man geht seines Weges irgendwo.
00:54:21: Ich vermeintle jetzt dann wie ein Hauptbahnhof in der Nähe, wo damalige Südbahnhof sehr viele dieser damaligen Gastarbeiter angekommen sind.
00:54:28: Und da steht man plötzlich vor diesem Denkmal, ob man es will oder nicht, und wird vielleicht aus seiner unmittelbaren Gegenwart rausgerissen und eben daran erinnert.
00:54:36: Ist das die wesentliche Funktion des Erinnerns im öffentlichen Raum?
00:54:39: Und würdest du sagen, ist das bei der Erinnerung an Migration ganz besonders wichtig, dass sie auch im öffentlichen Raum stattfindet?
00:54:46: Also nachdem ja Wien eine Stadt ist, die übersät ist mit Denkmälern, seit dem neunzehnten Jahrhundert, Ringstraßenzeit und so weiter, oder und Robert Musil praktisch es genau umgekehrt beschrieben hat, das entscheidende oder das Bemerkenswetter an den Denkmälern ist, dass sie so zur Ausstattung der Stadt können, dass man sie gar nicht mehr sieht und wahrnimmt und so völlig gedankenlos an ihnen vorbeigeht, obwohl ihre Funktion sein sollte, Ja erstaunt sind überrascht sind und innehalten und uns etwas denken dabei in dem moment aber das oft gar nicht funktioniert.
00:55:22: das muss halt.
00:55:23: zu einem Ort erst mal schaffen, aber es ist eben wie vorhin schon gesagt, es ist so wichtig, was wir in der Öffentlichkeit abbilden.
00:55:31: und ich würde nie, also ich bin Historiker, für mich sind Archive wichtige Orte und die Archive sind die Grundlage dafür.
00:55:38: Darum haben wir auch in der Debatte, auch vor zehn, zwölf Jahren schon gesagt, oder es braucht ein Archiv, weil wir auch wissen, dass in den bestehenden Archiven diese Überlieferung oft gering geschätzt wurde und auch nicht aufbewahrt worden ist, weil man sich dafür nicht zuständig gehalten hat.
00:55:56: Und wenn wir aber diese Archivalien nicht haben, dann können wir auch diese Geschichte nicht schreiben.
00:56:00: Und also das pflanzt sich ja dann fort.
00:56:02: Das hat ja eine Konsequenz.
00:56:05: Und darum würde ich das Archiv nicht gering schätzen.
00:56:06: Aber das Archiv ist natürlich ein, sagen wir mal, Alkaner Ort für eine Gruppe von Eingeweiten, die damit etwas anzufangen weiß.
00:56:14: Aber er ist nicht unwichtig.
00:56:16: Aber klar, entscheidend ist der öffentliche Raum, oder?
00:56:20: Man will im öffentlichen Raum sichtbar sein und wir definieren stark im öffentlichen Raum, was wir eben für Erinnerungswürdig und für wichtig in der Gesellschaft halten über Straßennamen, über Denkmäler, die besetzen etc.
00:56:32: Das oft nimmt man das ja gar nicht mehr so wahr, aber nicht umsonst ist an jedem Bahnhof in Österreich ein Südtiroler Platz, oder historisch um ein Südtirol zu erinnern, dass das abgetrennt wurde und so weiter und so fort.
00:56:44: Das kann man fortschreiben, aber das ist nicht willkürlich und nicht unwesentlich.
00:56:48: Damit definieren wir, was wichtig ist.
00:56:53: formatiert auch ganz stark unseren Alltag oft, obwohl wir es vielleicht gar nicht merken.
00:56:56: Und darum ist es natürlich wichtig, mit so einem Denkmal im öffentlichen Raum zu sein und das nicht nur irgendwo zu verräumen oder in den Archiv zu stecken oder irgendwo abseits oder in den Communities zu überlassen, sondern es muss öffentlich sichtbar sein.
00:57:11: Genauso, wie würde ich sagen, Migration im öffentlichen Raum sehr sichtbar ist.
00:57:15: Das führt uns jetzt zu einer anderen Debatte, die wir nicht mehr aufmachen.
00:57:20: Das
00:57:20: möchte ich jetzt nicht diskutieren, aber es ist natürlich ein Beitrag.
00:57:24: Darf ich es bewusst sagen, zum Stadtbild auch dieses Denkmal wird dazu beitragen.
00:57:28: Ja, und den anderen gegen in der Welt finden wir es auch wieder schön.
00:57:30: Im Stadtbild, wenn wir nach Chinatown gehen oder Little Italy, dann denken wir so, ah, super.
00:57:34: Aber auch das ist sichtbare Migration im öffentlichen Raum.
00:57:38: Vielen Dank, lieber Dirk, dass du mein Gast warst und dass du so offen und so lebendig über die Geschichte der Migration gesprochen hast.
00:57:45: Über die Zukunft der Migration werden wir vielleicht ein anderes Mal Gelegenheit haben, uns auszutauschen.
00:57:49: Vielen Dank für deine Zeit und deine Expertise.
00:57:51: Ich danke dir für die Einladung.
00:57:53: Danke.
00:57:53: Und bei euch bedanke ich mich sehr herzlich, dass ihr wieder mit dabei wart.
00:57:56: Und ich freue mich, wenn ihr in der nächsten Folge von Aufnahme bereit wieder zuhört.
00:58:00: Tschüss und Baba.
00:58:06: Vielen Dank fürs Zuhören.
00:58:08: Wenn euch diese Folge gefallen hat, abonniert Aufnahme bereit auf Spotify.
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00:58:24: wu.ac.at.
00:58:27: Alle Infos findet ihr auch in den Show-Notes.
00:58:29: Bis zum nächsten Mal.
00:58:37: Aufnahmebereit wird ermöglicht durch eine Förderung des Wissenschaftsvermittlungs-Calls vom Wissen der vielen, der MR-Sieben, der Stadt Wien.
00:58:46: Dann kann die KooperationspartnerInnen
00:58:48: von
00:58:49: Die Chefredaktion und der Podcastwerkstatt.
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